25. Oktober 2012

Sprachlos sein.

In Nussbaumen wohnen rund 8'500 Einwohner. Mindestens einer davon schreibt Leserbriefe.
Es spricht auch nichts dagegen, öffentlich seine Meinung kundzutun. Diese soll gehört oder eben gelesen werden. In diesem Fall aber hätte ich lieber nicht hinsehen wollen.
Ein Artikel über Intersexualität. Ich wusste wenig darüber. Nun weiss ich etwas mehr. Und vorallem über die fehlenden Gesetze zum Schutz der Rechte Intersexueller.
Schon seltsam. In vielen Belangen könnte man meinen wir leben im letzten Jahrhundert. Doch hier ist es anders.
Im Jahre 1794 gab es im preussischen Landrecht einen Zwitterparagraph, der die Rechte von Hermaphroditen regelte. Im Jahre 1900 wurde er ersatzlos gestrichen. Die Gesellschaft braucht scheinbar Eindeutigkeit.
Heute setzten sich Menschenrechtsgruppen und die UNO für die Rechte von Intersexuellen ein. Medien versuchen mit Artikeln das Unwissen und damit auch die Furcht vor dem Fremden zu nehmen. Und wollen auf ein Thema aufmerksam machen, dass bislang zu wenig Gehör erhalten hat.
In Nussbaumen ist man anderer Meinung. Zehn redaktionelle Seiten, ein Editorial und sogar ein Titelbild wurde diesem Thema gewidmet. Für jemanden ist das zu viel. Für ihn wohl zuviel für eine Minderheit. Der Nussbaumer fragt sich, ob die Schweiz denn über nichts Wichtigeres zu  berichten weiss. Doch. Vielleicht. Vielleicht von Intoleranten und respektlosen Bürgern, welche Randgruppen noch mehr an den Rand drängen wollen.
Nussbaumen und Laramie. Zwei Orte auf dieser Welt. An beiden Orten haben Menschen ihr zu Hause gefunden. Sie sind dort daheim. Doch einige von ihnen sollen sich nicht wie daheim fühlen. Sie werden an den Rand gedrängt. Aufgrund ihrer sexuellen Neigung, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion. Oder aufgrund von einem nicht eindeutig zu bestimmendem Geschlecht.
Laramie war einst in den Schlagzeilen. Nussbaumen nicht. Wird es wohl auch niemals kommen. Und doch sind Stimmen wie diese beängstigend. Stimmen, die einer Minderheit keine Stimme geben wollen.

22. Oktober 2012

Kind sein.

Die Hälfte aller Dreijähriger Blondschöpfe nutzen das Internet. Bei den Zweijährigen Schweden sind es immerhin  40%. Dies besagt eine schwedische Studie. Aber auch hierzulande dürfte vor dem Prozentzeichen nicht bloss eine 0 stehen. Vielleicht wäre eine völlige Abstinenz im heutigen Zeitalter auch gar nicht mehr möglich - selbst bei Dreijährigen.
Erschreckend wären wohl auch Zahlen über die Häufigkeit der Internetnutzung. Nach solchen zu suchen liegt mir fern, ich möchte es nicht wissen. Vielleicht gar etwas die Augen davor verschliessen.
Die hohe Onlinepräsenz verdrängt wertvolle Dinge. Es mag ja durchaus sein, dass sich vieles geändert hat. Aber vieles eben auch nicht. Spielen und Entdecken im Wald war vor 30 Jahren etwas Wunderbares. Und ist es heute noch. Soll es auch bleiben. Man kann eines tun und das andere nicht lassen. Dreijährige können noch keine Prioritäten setzen. Sie tun das, was sie gerade mehr in den Bann zieht und  spannender ist. Aber wenn sich Mama vom Bloggen mehr begeistern lässt, als von Tannzapfen und Kastanien suchen, dann sind die Weichen gestellt. Ob sie wirklich in die richtige Richtung führen bleibt fraglich.

18. Oktober 2012

Berühmt sein.


Ich fühle mich leicht gedemütigt. Zumindest alles andere als gebauchpinselt.
Es war eine simple Anfrage, ob er denn mein Freund sein möchte. So rein virtuell.
Es gab da eine Zeit vor heute. Ich war in den Journalisten S. verschätzelt. Wir haben auch die Wohnung und das Bett für eine rechte Weile geteilt. Und manchmal hatten wir auch Gäste. Und einer davon war mindestens drei Mal der Herr H. Er, der damals ebenfalls mit dem Buchstabenaneinanderreihen Geld verdiente. Aufgetischt wurden auch nicht nur Salzstängeli und Dosenbier. Ich habe mich richtig ins Zeug gelegt für die Bruschettas. Und all die anderen feinen Sachen.
Heute sieht man ihn im Fernsehen, wenn er von einem fernen Land und dessen Tagesaktualitäten zu berichten weiss.
Er hat es wirklich zu was gebracht, der Herr H. Und es mag ja sein, dass Kaviar-brötchen mehr zu seinem Stil und Gehalt passen. Aber wegen ein bitz Ruhm vergisst man doch nicht gleich meine Bruschettas. «Kennen wir uns...», war alles, was der sonst gar nicht Wortkarge als Antwort parat hatte.
Ich bin empört. Und ziehe meine Anfrage zurück. Einfach so. Und mache die Schublade wieder zu. 

15. Oktober 2012

Lebendig sein.




Sagen.

Meinen.
Schreiben.
Denken.
Fühlen.
Gewünschtes.
Befürchtetes.
Erlebtes.
Geträumtes.
Dazwischen leben.
Leben fühlen.
Leben leben.
Dazwischen.
Davor.
Und danach.

12. Oktober 2012

Traummännisch sein.

Eine von fünf Frauen beneidet das andere Geschlecht um den Vorzug nicht ungewollt schwanger werden zu können, so das «Süddeutsche Zeitung Magazin», welches die Daten von drei Dating-Websiten ausgewertet hat.
Ungewollt schwanger werden ist nicht in jedem Fall wünschenswert. Ist so. Ungewollt Vater zu werden aber wohl auch nicht. Wieso also neidisch sind. Sollen denn die potenziellen Erzeuger ebenso auf uns neidisch sein? Schliesslich können wir bis dato ebenfalls nicht ungewollt Vater werden.
Schampar viele dieser Angaben haben mich bitz stutzig gemacht und meine Liebesansichten dermassen auf den Kopf gestellt.
Meine Abneigung gegen Kosenamen ist eine sehr persönliche Sache. Wer seinem Goldschatz lieber «Maus», «Bärchen» oder «Engel» sagen möchte, nur zu. Nur verstehe ich dann nicht, wieso knapp 27% das Interesse an ihrem «Engel» verlieren würden, würde er an ebensolche oder Horoskope glauben. Ich möchte auch nicht wissen, wie oft die Engelsanbeterin ihren Michael, Raphael oder Gabriel bei einem starken Einfluss der Venus nicht im gewohnten Baumwollunterhöschen, sondern in einem seidenzarten Negligé erwartet hat. 1 + 1 gibt eben nicht immer 2. Und schon gar nicht, wenn es um den angeblichen Traummann geht. 
Berufswünsche, ein weiteres Thema der Befragung. Architekten, Ärzte und Unternehmer teilen sich die Spitzenränge. Wer sonst soll auch das Negligé bezahlen. Sicher nicht der Möbelpacker, der mit 5,9% der absolute Albtraummann der Frauen verkörpert. So ist es auch ganz und gar einleuchtend, dass 57% von ihrem Traummann erwarten, dass er im Haushalt mit anpackt. Und da soll einer die Frauen verstehen.
Ich verstehe die Männer. All die Männer, die auf ihr Traummanndasein pfeifen. Und einfach sind. Real eben. Denn was bitteschön soll ich mit einem braunhaarigen Unternehmer, der nicht an Horoskope glaubt, dem ich Schatzi sagen darf, zu dessen Hobbies Kochen gehört, der beim Date die Rechnungen bezahlt und der auch bestimmt keine schlechten Manieren hat. Vielleicht gemeinsam träumen. Vielleicht von der Realität.

4. Oktober 2012

Zeitlos sein.

Meine Sommerröcke belegen noch immer den besten Rang im Schrank. Und ich tapse bis dato Barfuss in der Wohnung herum. Doch auch die stärksten Herbstsonnenstrahlen können die Umgestaltung der Schaufensterdekorationen nicht aufhalten. Weihnachtskugeln und Engelchen haben Einzug gehalten.
Einen Schritt voraus zu sein ist amigs durchaus nützlich. Kann Leben retten oder vor unangenehmen Situationen bewahren. Aber manchmal ist früh einfach schampar zu früh.
Einem Kind von drei Jahren eine Uhr zu schenken mag für viele pädagogisch wertvoll daherkommen. Damit es auch frühzeitig die Fähigkeit erwirbt, sich an der Zeit zu orientieren. Pünktlichkeit lernt. Sein Spiel unterbricht, um den Englischkurs für Kleinkinder nicht zu versäumen. Sich endlich in die Maschinerie der Erwachsenenwelt einzugliedern.
Ungewiss bleibt, wieso wir uns an der Zeit orientieren sollen, wenn uns damit die Orientierung genommen wird.
Ich sehe Sonnenstrahlen und farbige Wälder. Ich höre das Rascheln des Laubes unter meinen Füssen. Ich rieche noch immer frisch gemähtes Gras. Doch meine Sinne werden getäuscht. Zimtsterne zum Degustieren. Lametta, das im Schaufenster vor sich hin glitzert.
Den Kindern rauben wir die Zeit. Die Zeit, Kind zu sein. Uns nehmen wir die Zeit. Die Zeit zu sein. Hier. Und jetzt.